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Ein Jahr nach Charlie Hebdo

ROG-Bericht über den "Dschihad gegen Journalisten" und Medien als Waffe islamistischer Gruppen

Berlin (ots) - Ein Jahr nach dem Anschlag auf die Redaktion der Satirezeitschrift Charlie Hebdo zeigt Reporter ohne Grenzen in dem Bericht "Dschihad gegen Journalisten", wie islamistische Gruppen kritische Journalisten systematisch verfolgen und Medien gezielt als Kampfinstrumente nach innen und außen einsetzen.

"Brutale Gewaltvideos sind nur ein kleiner Teil der sehr professionell betriebenen Propagandamaschinerie des IS, die Anhängern ein islamistisches Utopia vorgaukelt und so neue Kämpfer anwirbt", sagte ROG-Geschäftsführer Christian Mihr in Berlin. "Dieser Propaganda mit vielseitigen, ausgewogenen Informationen zu begegnen, anstatt im Kampf gegen den Terror die Pressefreiheit einzuschränken, ist die Herausforderung, vor der die internationale Staatengemeinschaft steht."

ÖFFENTLICHE HINRICHTUNGEN UND DIE ENTFÜHRUNGSINDUSTRIE

Der so genannte Islamische Staat (IS) bezeichnet kritische Journalisten offen als militärische Ziele und stellt sie auf eine Stufe mit feindlichen Kämpfern. Nach der Eroberung der irakischen Stadt Mossul etwa entführte der IS allein dort binnen 16 Monaten 48 Medienschaffende und ermordete mindestens 13 von ihnen. Zu den jüngsten Opfern der Extremisten gehören der syrische Journalist Naji Jerf, ermordet am 27. Dezember 2015 in der Türkei, und der Bürgerjournalist Achmed Mohamed al-Mousa vom Netzwerk Raqqa is Being Slaughtered Silently, den Vermummte im Dezember 2015 in der syrischen Stadt Idlib töteten.

Große Beachtung in westlichen Medien fanden die zu Propagandazwecken spektakulär inszenierten Hinrichtungen ausländischer Journalisten. Während der IS die US-amerikanischen Journalisten James Foley und Steven Sotloff vermutlich aus Rache für die Politik der USA in der Region umbrachte, scheiterten im Fall des Japaners Kevin Gotos die Verhandlungen um seine Freilassung - die Islamisten hatten 40 Millionen Dollar Lösegeld gefordert. Die Entführung von Journalisten ist zu einem Geschäftsfeld geworden, dessen Erlöse eine wichtige Finanzquelle für die Extremisten sind.

IS-PROPAGANDA INSZENIERT ISLAMISTISCHES UTOPIA

Ausführlich beschreibt ROG in dem Bericht das ausgeklügelte System der Medienlenkung und Propaganda, mit dem die Extremisten des IS den Informationsfluss in den von ihnen besetzen Gebieten und weltweit kontrollieren wollen. Ihre Mittel gleichen denen der Diktatoren, die ROG als Feinde der Pressefreiheit brandmarkt: Verbot der Berichterstattung in bestimmten Zonen, absolute Kontrolle journalistischer Arbeit, exzessive Gewalt gegen kritische Berichterstatter. Sie finden sich beispielhaft in den "11 Geboten für die Journalisten von Deir Ezzor", die der IS im Oktober 2014 veröffentlichte und die ROG im Bericht dokumentiert.

Vor allem aber richtet sich die professionell inszenierte Propaganda des IS an seine Anhänger im In- und Ausland. Die Extremisten verbreiten ihre Botschaft über sieben Fernsehsender, den Radiosender Al Bayan in Mossul und das in mehreren Sprachen erscheinende Hochglanz-Magazin Dabiq. Über unzählige Kanäle in sozialen Netzwerken in allen Teilen der Welt veröffentlichen sie monatlich mehr als 1000 Propagandabotschaften. Die Videos und Berichte inszenieren ein islamisches Utopia in den vom IS kontrollierten Gebieten: Seine Kämpfer bauen Schulen und Krankenhäuser, kümmern sich um den Schutz der Umwelt und die Versorgung der Menschen. Nur rund zwei Prozent der Inhalte zeigen Gewalt - in umso extremerer Form und hocheffektiv, um Angst zu verbreiten und neue Kämpfer anzuwerben.

KAMPF GEGEN TERROR ALS VORWAND FÜR ZENSUR

Die Gefolgschaft seiner Anhänger in so genannten Medienbrigaden erkauft sich der IS neben brutaler Kontrolle durch Belohnung und Privilegien. So erhält ein Kameramann, der für den IS in den Kampf zieht, bis zu sieben mal mehr Sold als ein gewöhnlicher Soldat. Eine zentrale Rolle in der Propagandamaschine des IS spielt der britische Journalist John Cantlie. Er wurde im November 2012 zusammen mit James Foley gefangen genommen und begann nach dessen Enthauptung, gegen den Westen gerichtete Videobotschaften für seine Entführer zu produzieren.

Reporter ohne Grenzen beschränkt sich in dem Bericht nicht auf IS-Propaganda und -gewalt gegen Journalisten, sondern dokumentiert auch das ähnlich brutale Vorgehen der al-Shabaab-Miliz in Somalia, der Terrorgruppe Boko Haram in Nigeria und islamistischer Milizen in Libyen. Zudem beschreibt ROG, wie vielen Regimen weltweit der Kampf gegen den Terrorismus als Vorwand dient, die Pressefreiheit einzuschränken - nicht nur im Nahen Osten und in Afrika.

Quelle presseportal  Foto by flickr/Alphagard

Islamisten in Deutschland

Ein Kommentar

Bielefeld (ots) - Der Staat ist gegenüber islamistischen Hasspredigern hart und handlungsfähig aufgetreten. Endlich, möchte man sagen. Denn dass es in vielen deutschen Städten überhaupt eine sogenannte Salafisten-Szene gibt, ist Otto Normalbürger kaum zu vermitteln. Ob der Fahndungserfolg die Sympathisanten des »Islamischen Staates« (IS) beeindruckt, hängt maßgeblich von der Antwort auf die Frage ab: Wie geht die Justiz nun mit den fünf festgenommenen Männern und anderen Gegnern unserer freiheitlichen Gesellschaft um? Im Sommer setzte Österreich ein Zeichen. Ein Gericht in Graz verurteilte den bosnisch-stämmigen Hassprediger Mirsad O. zu 20 Jahren Haft, weil er Dschihadisten für den IS-Krieg rekrutiert hatte. Dagegen wirkt das Strafmaß von achteinhalb Jahren für Abdelkarim E., das gestern das Oberlandesgericht Frankfurt verhängt hat, relativ milde. Der IS-Kämpfer mit deutschem Pass könnte wegen der vom Gericht dreifach angerechneten Haft in der Türkei schon recht bald wieder auf freiem Fuß sein. Erfolgreiche Ermittlungen sind das eine, angemessene Urteile das andere. Gerade bei Straftaten, die mit dem Islam als Religion oder als Kultur in Verbindung stehen, entsteht häufig der Eindruck, dass die Justiz das Strafmaß nicht ausschöpft und Rabatte gewährt. Das muss sich ändern, wenn sich der Staat und seine Behörden abschreckende Wirkung auf Islamisten versprechen. Und noch etwas muss sich ändern: das Aufenthaltsrecht. Bei vier der festgenommenen Islamisten handelt es sich um einen Iraker, einen Türken, einen Serben und einen Kameruner. Der Staat muss seinen Bürgern erklären, auf welcher rechtlichen Basis sich diese Männer und andere Gefährder in Deutschland aufhalten dürfen. Und wenn sie es dürfen, müssen die Gesetze geändert werden, damit das nicht mehr möglich ist. So einfach ist das natürlich nicht, aber so einfach sollte es sein. Denn die Gefährdungslage ist unverändert hoch. Vielleicht dauert es gar nicht mehr so lange, bis der IS im Irak und in Syrien militärisch geschlagen ist. Besiegt wäre er damit aber nicht. Im Gegenteil: Ohne »Staatsgebiet« könnten die Dschihadisten noch rücksichtsloser agieren. Seine Anhänger hat der IS auf eine Niederlage in Mossul eingestimmt. IS-Führer Abu Bakr al Bagdadi nennt die Schlacht um die Stadt eine »Prüfung«, die zeige, dass der IS »auf dem richtigen Weg« sei. Islamismus-Experten gehen davon aus, dass vor allem die IS-Kämpfer aus Europa bereit sein könnten, aus Rachegefühlen Anschläge in ihren Heimatländern durchzuführen. Vor diesem Hintergrund muss der Druck auf IS-Hassprediger hoch gehalten werden. Bei den Razzien von gestern darf es nicht bleiben

Quelle: presseportal

  • Publiziert in Politik
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