Log in

Ein klarer Sieger in einer verrückten Wahlnacht

Ein strahlender Hendrik Wüst freut sich über klaren Wahlsieg. Olaf Scholz und seine SPD verlieren erneut an Boden und fahren das schlechteste Ergebnis aller Zeiten in NRW ein. Als Ergebnis der Wahl hängt nun von den Grünen ab. 

Verwirrend sind die fünf Balken nach den ersten Hochrechnungen. Die Ergebnisse der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen zeigen, dass die CDU die stärkste Partei ist. Es bleibt abzuwarten, ob sie regieren wird. Schwarz-Grün hat eine Mehrheit. Erste Prognosen sehen Rot-Grün knapp. Eine Ampel ist möglich, wenn die FDP über fünf Prozent liegt. Möglicherweise wird es erst nach dem amtlichen Endergebnis klar sein. Die Aufregung in der Wahlnacht war groß. Es gab fünf Lehren aus der Wahl.

Die Grünen haben nun die Wahl

Ob Wüst Ministerpräsident bleibt oder ob Kutschaty es wird, entscheiden nun die Grünen. Sie sind mit einem Zuwachs von über zehn Prozentpunkten der größte Gewinner dieser Wahlnacht. Die Scharnierpartei, die Mehrheitsführerin, wurde von beiden großen Machtblöcken in der Bonner Republik umworben.

Die Grünen werden die zentrale Rolle in einer neuen Koalition in NRW spielen. Ohne die Grünen gibt es in Nordrhein-Westfalen kaum eine vernünftige Regierungsoption. Die einzige andere Möglichkeit wäre die große Koalition. Die Grünen haben gezeigt, dass sie mit der CDU vertrauensvoll zusammenarbeiten können. Es gibt also eine vernünftige Verhandlungsbasis für eine Koalition aus CDU/Grüne.

Es gibt Anzeichen dafür, dass die Grünen eine Koalition mit der CDU bilden könnten. Die SPD hat verloren, während die CDU zugelegt hat. Der erste und zweite Platz sind durch sieben Punkte getrennt. Für den Verlierer sind starke Argumente nötig, um eine Mehrheit zu gewinnen. Bleibt die FDP im Landtag, wäre eine Koalition mit den Sozialdemokraten entweder ein wackeliges Bündnis mit knapper Mehrheit oder ein Dreierbündnis mit der FDP. Das ist weniger verlockend als eine volle Mehrheit.

CDU stärkt ihre Position in NRW

Selbst wenn einige der Konkurrenten das wollten, wird die CDU nicht zulassen, dass sie den Weg vieler christdemokratischer Parteien in Europa geht, und sie werden einfach verschwinden, wenn sie die Macht abgeben.

So knackig wie die Brötchen vom Vortag schlurfte die CDU vor der Bundestagswahl dahin. Ihre Aufholjagd im bevölkerungsreichsten Bundesland Deutschlands zeigt, dass sie noch Luft nach oben hat. Vor ein paar Monaten lag sie noch bei 20 Prozent. Nach den lezten Prognosen liegt sie bei über 35% und damit einem sehr guten Ergebnis in NRW.

Es gibt immer noch einen Überschuss an Ideen. Die Wahl wurde durch zwei Dinge entschieden. Wüst als Ministerpräsident zu wählen war scheinbar eine gute Idee. Er ist erst seit sieben Monaten im Amt. Er kann glaubhaft sagen, dass er es nicht war, anders als in der Bundesregierung, wo die CDU/CSU mit einer Mängelliste aus 16 Jahren Regierungszeit in die Opposition geschickt wurde.

Zum anderen scheint die CDU seit einigen Wochen zum ersten Mal seit langem wieder mit sich im Reinen. Das spüren auch die Wählerinnen und Wähler. Es gibt keine Richtungs- oder Personalstreitigkeiten. Die Partei setzt ihre eigenen Akzente. Das reicht, um eine weitere Wahl zu gewinnen. Friedrich Merz als Parteichef handelt auch anders als eine Merkel oder ein Scholz das tun, was ebenfalls zum Wahlergebnis beigetragen haben wird.

Die SPD verliert weiter an Boden

Es wäre ein guter Zeitpunkt für die SPD gewesen, sich zu profilieren. Obwohl es sich um eine Landtagswahl handelt, hat die SPD ihren Kanzler zum Wahlhelfer gestellt. Nicht nur indirekt. Der Kanzler sollte Kutschaty unterstützen, denn er schaute in NRW von vielen Wahlplakaten. Dieser Nicht-Sieg ist auch seine Niederlage.

Eine Koalition könnte immer noch gebildet werden mit der CDU oder den Grünen. Aber das hatte bereits in der Vergangenheit schlecht geklappt. Das "sozialdemokratische Jahrzehnt" wurde von der Parteiführung nach dem Sieg bei der Bundestagswahl ausgerufen, doch das scheint nun schon wieder beendet zu sein.

Der FDP bekommt das Regieren nicht

Die FDP ist sich des Amtsbonus bewusst. Sie waren die großen Gewinner dieser Wahl und der ersten Ampelmonate. Nach fünf Jahren Jamaika waren die Liberalen die einzige der drei Koalitionsparteien, die bei der Landtagswahl verloren hat. Fünf Jahre Wahlkoalition brachten den Liberalen ein Minus von sieben Prozentpunkten. Das Ergebnis wurde von der FDP halbiert. Ein Desaster.

Die FDP wurde schon mehrfach fürs Regieren bestraft. Sie sank in Baden-Württemberg von 11 Prozent im Jahr 2006 auf 5 im Jahr 2011. Nach dem Ausscheiden aus der Bundesregierung ging sie in die außerparlamentarische Opposition. Die ersten fünf Jahre der Landesregierung war sie außerhalb des Landtags. Im Jahr 2009 war die FDP Jamaika-Partner. Im Jahr 2012 ging sie in die außerparlamentarische Opposition. In Sachsen und Hessen noch im selben Jahr. Es besteht die Möglichkeit, dass die Liste fortgesetzt werden könnte. Die Erkenntnis ist, dass sich das Regieren für die FDP nicht rechnet.

Entweder sind die liberalen Minister inkompetent. Das mag im Einzelfall zutreffen. Ein großer Teil der Rechnung wird wahrscheinlich auf Schulministerin Gebauer zukommen. Doch das ist keine ausreichende Erklärung. Viel wahrscheinlicher ist, dass es an ihrer Rolle im Parteiensystem liegt. Die Liberalen sind eine korrigierende Partei, die die Übergriffe ihrer Koalitionspartner eindämmt, seien es Steuererhöhungspläne von links oder Sicherheitsphantasien von rechts. Das Dilemma ist: Wenn ein Korrektiv wirkt, merkt man es nicht. Schön und gut. Einem Wahlkampf hilft auch die schrillste Werbeagentur nicht weiter. Eine Leerstelle ist keine Botschaft, mit der man wiedergewählt wird. Die liberalen Stimmen gingen an die Konservativen.

Alle anderen Parteien spielen in NRW keine Rolle

Andere Parteien in NRW sind aufgrund der Stärke der beiden großen Parteien marginal. Die Linkspartei hat zwei Prozent. Die AfD kommt auf fünf Prozent, ein Minus von zwei Punkten. Das demokratische Hufeisen ist in Verruf geraten. Es gibt ein paar Gemeinsamkeiten zwischen Linken und Rechten. Beide sind pro-russisch und amerikakritisch. In Westdeutschland haben sie nichts zu sagen.

Die AfD ist vor einer Woche aus dem Landtag geflogen. Der mitgliederstärkste Landesverband hat einen Verlust erlitten. Den Verlust an Stimmen kann man mit Zahlen belegen. Mehr verloren hat sie an Diskurskraft. Er hat mit seinen Themen, seinem Personal und der Art und Weise, wie er sie anspricht, keinen nennenswerten Zugang mehr außerhalb seines eigenen Umfeldes. Das ist in Nordrhein-Westfalen nicht der Fall. Die AfD wird eine reine Lega Ost sein. Die Linkspartei befindet sich nach ihren Niederlagen auf Bundes- und Landesebene am Rande einer Sinnkrise. Wer soll sie denn noch wählen? Die Industriearbeiter in der Region? Sie sind den Sozialdemokraten treu. Akademiker wählen grün. Wütende Ostdeutsche wählten die AfD. Die Landbevölkerung war nie ihr Ding.

 

  • Publiziert in Politik
Diesen RSS-Feed abonnieren

Dortmund

Banner 468 x 60 px