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Bundeswehr - Die Kosten des Friedens

Ein Kommentar von Dieter Wonka, Berlin

Bielefeld (ots) - Klagen über fehlendes Personal, über schlechtes Material und über falsche strategische Weichenstellungen gehören für die Lobbyisten der Bundeswehr zum Alltagsgeschäft. Jahrelang winkte schließlich eine Friedensdividende, mit der sich alles Mögliche finanzieren ließ, nur nicht die Bundeswehr in einem Land, das von Freunden umzingelt war. Doch jetzt hat sich die Welt verändert. Krisen, wohin der Blick fällt, und die Bundeswehr steckt mittendrin. Frieden wird Geld kosten, auch die Verteidigung. Manchen fällt diese Erkenntnis vermutlich besonders schwer. Die Prioritäten haben sich verschoben, das geordnete Denken über die notwendigen Konsequenzen sollte aber gleichwohl nicht ausbleiben. Wer jetzt mit Blaulicht-Getöse mehr Personal für die Bundeswehr fordert, fängt die notwendige Debatte vom falschen Ende an. Was nützen mehr Soldaten angesichts maroder Waffenarsenale? Viele Soldaten bei immer weniger Geld für Investitionen und Instandhaltung haben sich schon in der Vergangenheit als Irrweg erwiesen. Darunter leidet die Truppe bis heute. Ein Teil des Materials der Bundeswehr ist derzeit gar nicht einsatzfähig. Kürzungen bei den Zivilangestellten nach Art des früheren Verteidigungsministers Thomas de Maizière haben dazu geführt, dass heute vieles von Soldaten erledigt wird, was nicht zu ihrem Kerngeschäft gehört, wohl aber in der Praxis den eigenen Karrieresprung sichert. Die aktuell anstehenden neuen Aufgaben für deutsche Soldaten, von Mali über Syrien bis hin zum AWACS-Einsatz, der jetzt als deutscher Beitrag für den Kampf gegen die Terrormiliz IS verlangt wird, taugen nicht als Beleg für den SOS-Ruf. Ein Verband von 178.000 Soldaten kann das auch noch leisten, ohne dass die Substanz gefährdet ist. Es sei denn, die Mittelmäßigkeit beschriebe tatsächlich den Alltagszustand der Bundeswehr. Der Ruf nach mehr Personal kann am Ende einer Grundsatzdebatte über die Kosten des Friedens stehen, nicht aber am Anfang. Wie es jetzt weitergehen sollte, hat Finanzminister Wolfgang Schäuble skizziert. Es müssten mehr Anstrengungen für wirkliche europäische Verteidigungsinitiativen unternommen werden. Dazu gehören aber eine echte europäische Koordination und der Mut bei der Bundeswehr, sich in Abstimmung mit dem Bündnis auf eigene Stärken zu konzentrieren und nicht mehr alles ein bisschen machen zu wollen.

Quelle presseportal  Foto by flickr/Ironbird Photography

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Gabriel zum Brexit

Gabriel: Europa muss jetzt Kurs auf seine Bürger nehmen

Berlin (ots) - Europa muss nach den Worten von SPD-Chef Sigmar Gabriel die Brexit-Entscheidung nicht als Untergang, sondern als "Chance für einen Neuanfang" begreifen. "Der Austritt des Vereinigten Königreichs ist ein schriller Weckruf für allem für die europäische Politik", sagte Gabriel am Freitag dem "Tagesspiegel". "Wer den überhört oder sich in die üblichen Rituale flüchtet, fährt Europa gegen die Wand. Entrückte Politik, die nichts erklärt und immer nur angebliche Sachzwänge vorschiebt, landet in der Sackgasse." Der SPD-Vorsitzende forderte ein demokratischeres, sozialeres, solidarischeres und unbürokratischeres Europa mit einer "aktiven Bürgerbeteiligung". "Jetzt muss Europa endlich wenden und wieder Kurs auf seine Menschen nehmen", erklärte der SPD-Chef.

Quelle: presseportal 

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Gaskrise in Deutschland

Die Gaskrise in Deutschland - eine Bedrohung für das Volk und die Wirtschaft?

Sind wir bald pleite? Wenn Putin das Gas abstellt, ist Deutschland in Schwierigkeiten. In diesem Artikel erfährst du, was es mit dem Gasstreit zwischen Deutschland und Russland auf sich hat und wie abhängig wir von russischem Gas sind.

Wirtschaftsminister Habeck warnt: Sollte der Staat gezwungen sein, im Falle eines Gasmangels Gas zuzuteilen, droht Deutschland die "Zerreißprobe"

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck hat vor einem drohenden politischen Albtraum-Szenario gewarnt. Wenn der Staat im akuten Krisenfall die Zuteilung von Gas steuern müsste, sagte Habeck, werde Deutschland vor eine Zerreißprobe gestellt. "Ich mache mir keine Illusion", sagte der Grünen-Politiker. "Das wird Deutschland vor eine Zerreißprobe stellen, die wir lange so nicht hatten."

Sparen und speichern um Notlage zu verhindern

Wenn wir nicht aufpassen, können wir bald in einer ernsten Krise stecken. Wir müssen unsere Ausgaben reduzieren und unsere Ersparnisse erhöhen. Dies wird uns helfen, eine finanzielle Katastrophe zu vermeiden.

Eine solche Notlage müsse etwa durch das Einsparen und Einspeichern von Gas verhindert werden, sagte Habeck. Ein akuter Gasmangel würde die gesellschaftliche Solidarität "bis an die Grenze und wahrscheinlich darüber hinaus" strapazieren. Der Minister betonte, dass im Krisenfall laut europäischer Rechtsnorm in den privaten Gasverbrauch sowie die kritische Infrastruktur wie Krankenhäuser und Altenheime "als Allerletztes" eingegriffen werde.

Preisanstiege werden Verbraucher hart treffen

Es ist klar, dass die Preisanpassungen für die Verbraucherinnen und Verbraucher "hart" sein werden - und für einige Menschen sogar zu hart, so Habeck. Er betonte, dass ohne weitere politische Flankierung die Spaltung in der Gesellschaft zu stark befördert wird. Über weitere Entlastungen wird derzeit in der "konzertierten Aktion" zwischen Regierung und Sozialpartnern gesprochen.

Wird Nord-Stream-1 weiter liefern?

Gazprom, der russische Energielieferant wird von dem Minister Habeck scharf kritisiert. Dieser beschuldigt Gazprom, die Gaslieferungen nach Deutschland aus fadenscheinigen Gründen zu reduzieren. Zudem sei unklar, wie es nach den anstehenden Wartungsarbeiten an der Pipeline Nord Stream 1 weitergehen wird. Habeck warnt: "Alles ist möglich, alles kann passieren." Es bestehe die Möglichkeit, dass mehr Gas fließt oder gar nichts ankommt. Sein Rat an die Bevölkerung lautet: "Wir müssen uns ehrlicherweise immer auf das Schlimmste einstellen und ein bisschen für das Beste arbeiten." Putin hat in der Vergangenheit bereits mehrfach damit gedroht, das Gas abzustellen. Im Jahr 2009 schnitt er beispielsweise die Gaslieferungen an die Ukraine ab, was zu einem massiven Stromausfall führte. Auch wenn es unwahrscheinlich ist, dass Putin tatsächlich das Gas abstellen wird, so ist es doch ein reales Risiko.

Bayerns Ministerpräsident meldet sich auch zu Wort

Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder hat der Bundesregierung am Samstag auf einem Parteitag der Oberbayern-CSU in Ingolstadt Versagen in der Energiekrise vorgeworfen. "Deutschland geht die Energie aus, es drohen kalte Winter.

Das Land steht vor einem ökonomischen Infarkt, wenn das Gas nicht mehr fließt", sagte er. Söder warnte, dass viele Menschen sich vieles nicht mehr leisten könnten und Normalverdiener den Abstieg fürchten müssten. "Eine Regierung, die das nicht schafft, die hat ihren Auftrag grundlegend verfehlt."

Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) wehrt sich gegen Kritik von Ministerpräsident Markus Söder (CSU) an der Energiepolitik der Hauptstadt. "Wenn sich jemand auskennen will in der Energiepolitik, dann ist das Berlin", sagte Müller am Mittwochabend im rbb-Inforadio. "Wir haben sehr viel getan in den letzten Jahren." Müller betonte, dass die Hauptstadt seit Jahren auf eine dezentrale Energieversorgung setze und mit erneuerbaren Energien experimentiere. "Wir sind auf einem guten Weg", sagte er. "Aber wir müssen uns jetzt natürlich die Frage stellen, ob wir alles richtig gemacht haben." Der Ministerpräsident hatte zuvor gesagt, dass Berlin in der aktuellen Energiekrise versagt habe. "Berlin hat kein Konzept", sagte Söder am Mittwoch in München. "Die Hauptstadt ist am stärksten betroffen von dem, was passiert."

 

Historiker Borgolte schlägt muslimisches Zuckerfest als gesetzlichen Feiertag vor

Erste Vorschläge dazu muslimische Feiertage als gesetzliche Feiertage festzulegen

Düsseldorf (ots) - Als Konsequenz aus der Flüchtlingskrise hat der Historiker Michael Borgolte einen muslimischen Feiertag in Deutschland angeregt. "Ich könnte mir vorstellen, dass man, wenn der Anspruch der muslimischen Mitbürger auf Partizipation zunimmt, etwa das muslimische Zuckerfest als gesetzlichen Feiertag einführt", sagte Borgolte, der an der Berliner Humboldt-Universität mittelalterliche Geschichte lehrt, der in Düsseldorf erscheinenden "Rheinischen Post" (Montagausgabe). Er fügte hinzu: "Das würde unser Bewusstsein sehr grundsätzlich ändern, da dann neben politische und christliche Feiertage muslimische träten. Das ist natürlich reine Spekulation, aber ohne Änderung unseres Lebensstils wird es nicht gehen." Borgolte, der als Experte für die Zeit der Völkerwanderung gilt, kritisierte zudem die Verwendung dieses Begriffs in der Flüchtlingsdebatte. Das beruhe "auf falschen Voraussetzungen": "In Deutschland gibt es die panische Angst vor dem Verlust von Kultur und Selbstbestimmung und davor, einen Prozess nicht mehr administrativ beherrschen zu können. Da erscheint der Nationalstaat vielen als Sicherung gegen das Chaos. Dabei war die Völkerwanderung größtenteils gar kein chaotischer Vorgang."

Kompletter Text:

Was sagt der Historiker zum Begriff der neuen Völkerwanderung? Borgolte Angesichts dieser massenhaften Zuwanderung ist das durchaus nachvollziehbar, beruht aber auf falschen Voraussetzungen. Warum eigentlich? AfD-Vizechef Alexander Gauland hat kürzlich von der Zeit gesprochen, "als das Weströmische Reich von den Barbaren überrannt wurde". Das klingt wie die klassische Interpretation. Borgolte Das ist aber zunächst mal alles falsch - nur in Ausnahmefällen kann von Überrennen die Rede sein, und das Gleiche gilt für die Annahme organisierter Masseninvasionen. Richtiger ist es, sich Gruppen vorzustellen, die hintereinander hergezogen sind und dann in der Summe eine Bevölkerungsverschiebung verursacht haben. Diese Gruppen haben sich aber ethnisch immer wieder neu zusammengesetzt und getrennt. Wie viele sind damals gewandert? Borgolte Das ist sehr umstritten. Der Kirchenvater Hieronymus berichtet, 80.000 Germanen hätten den Rhein überquert. Und als die Langobarden 568 nach Italien einwanderten, sollen 100.000 Menschen gekommen sein - inklusive Frauen, Kinder und Greise. Die Zahl ist aber nicht belegt. Realistisch sind die 20.000 Sachsen, die die Langobarden begleitet haben sollen. Auf jeden Fall waren es keine Millionen. Die Maximalzahl für einzelne Wanderungen, von der die Forschung heute ausgeht, liegt etwa bei 80.000 bis 100.000 Menschen. Also eine krasse Minderheit. Borgolte Ja. Italien hatte im 6. Jahrhundert etwa fünf bis sechs Millionen Einwohner. Es geht also vielleicht um zwei Prozent der Gesamtbevölkerung - ähnlich wie heute, wenn zu 80 Millionen Deutschen eine Million Flüchtlinge kommt. Wie konnten so wenige eine solch epochale Wirkung haben? Borgolte Letztlich wissen wir das nicht. Es muss aber mit Organisationskraft zu tun haben und mit der Bereitschaft der aufnehmenden Bevölkerungen, sich neuen Kulturen zu öffnen. Und mit Gewalt, das will ich gar nicht in Abrede stellen. Kam erst die Völkerwanderung oder erst der Niedergang Roms? Borgolte Rom stellte zunächst barbarische Heerführer und deren Soldaten in seine Dienste, um die Grenzen zu sichern. Dadurch lernten die Germanen das gute Leben im Reich kennen; das hat dann eine Sehnsucht nach diesem Leben ausgelöst. Der Verfall der Zentralgewalt kam hinzu, schließlich verstärkte sich die Zuwanderung ins Reich, die zu einer politischen Neuorganisation führte. Wer kam da? Die Armen oder die, die es sich leisten konnten? Borgolte Die ersten Kundschafter waren vor allem Militärs und Diplomaten, also eher Angehörige der Oberschicht. Dann aber zogen alle mit - das war eine echte Migration: Man gab die Heimat auf und konnte nicht mehr zurück. Gab es demografische Notwendigkeit? Germanischen Geburtendruck? Borgolte Nein. Insgesamt kann davon keine Rede sein. Warum ist "Völkerwanderung" heute überhaupt noch ein Begriff für die politische Auseinandersetzung? Borgolte Unser Wort ist ja noch harmlos. Briten, Franzosen und Italiener sprechen von der Invasion der Barbaren, was den kulturellen Zusammenbruch betont. In Deutschland gibt es die panische Angst vor dem Verlust von Kultur und Selbstbestimmung und davor, einen Prozess nicht mehr administrativ beherrschen zu können. Da erscheint der Nationalstaat vielen als Sicherung gegen das Chaos. Dabei war die Völkerwanderung größtenteils gar kein chaotischer Vorgang. Und obendrein kannten sich ja beide Seiten - Germanen waren Roms Helfer und Gegner zugleich. Schon Jahre vor der Flüchtlingskrise hat Guido Westerwelle von "spätrömischer Dekadenz" in Deutschland gesprochen. Wer war damals dekadent, und wer ist es heute? Borgolte Dekadenz ist ein moralisierender Kampfbegriff, der nicht weiterhilft. Verfallserscheinungen gibt es in jeder Gesellschaft, Innovationen auch. Das ist so richtig wie banal. Die Frage ist, welche Mentalität sich so verfestigt, dass daraus politischer Handlungsdruck wird. Ihr britischer Kollege Niall Ferguson hat die Anschläge von Paris auf moralischen Verfall zurückgeführt. Borgolte Ich sehe das nicht. Die europäischen Staaten, besonders Deutschland, befinden sich auch nicht annähernd in einem so desolaten Zustand wie das Römische Reich damals. Meine Studenten sind voller Dynamik und Zuversicht, die kulturellen Herausforderungen zu bestehen. Sie freuen sich sogar darauf, sie lernen zum Beispiel unaufgefordert Arabisch. Das ist nicht dekadent, sondern realistisch. Kultur ist ein ständiger Änderungsprozess, Stillstand gibt es nicht, Sesshaftigkeit ist weltgeschichtlich betrachtet ein Ausnahmephänomen. Das ist der Gang der Dinge. Hinter Dekadenz-Vorwürfen steckt doch aber immer auch eine religiöse Dimension, die sich um Islam und Christentum dreht. Borgolte Tja - früher war es die "rote Gefahr", heute der Islam. Was bedeutet das? Irgendein Schreckbild brauchen wir eben? Borgolte Ja. Natürlich gibt es auch echte Konflikte, die so alt sind wie die Religionen selbst. Vor allem werden da aber alte Muster neu belebt, die sich nur neue Inhalte suchen - wie die Angst vor dem Islam. Was lässt sich aus der Völkerwanderung für unseren Umgang mit der Flüchtlingskrise lernen? Borgolte Erstens, dass wir solche Bewegungen allenfalls lenken, aber nicht aufhalten können. Zweitens, dass wir aber viel tun können, damit dieser Prozess fruchtbar wird. Wir dürfen die Neuankömmlinge zum Beispiel auf keinen Fall in Ghettos abschieben, wie es die Franzosen mit den Banlieues gemacht haben. Die Begegnung mit den Einheimischen muss möglichst eng sein. Nur so können beide Seiten erkennen, dass sie voneinander profitieren - wenn sie bereit sind, sich zu ändern. Was heißt das konkret? Borgolte Ich könnte mir vorstellen, dass man, wenn der Anspruch der muslimischen Mitbürger auf Partizipation zunimmt, etwa das muslimische Zuckerfest als gesetzlichen Feiertag einführt. Das würde unser Bewusstsein sehr grundsätzlich ändern, da dann neben politische und christliche Feiertage muslimische träten. Das ist natürlich reine Spekulation, aber ohne Änderung unseres Lebensstils wird es nicht gehen. Helfen Zäune? Der Limes hat ein paar Hundert Jahre gehalten. Borgolte Im Prinzip nein. Zäune mögen die Ströme kanalisieren, aber sie können Leute, die so verzweifelt sind, dass sie für ihre Kinder keine Zukunft in ihrer Heimat sehen, nicht daran hindern, anderswo ihren Lebensmittelpunkt zu suchen. Dauerhafte Abschottung macht die Konflikte nur noch schlimmer.

Quelle presseportal  Foto by flickr/Hamburg Sankt-Georg.Info Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Italiens neue Regierung und ihre Protagonisten

Die neue italienische Regierung im Porträt: Wie sieht sie aus?

Giorgia Meloni ist die neue Regierungschefin Italiens.

Die rechtsnationale Politikerin ist die erste Frau, die das Amt innehat. Sie ist 40 Jahre alt und wird von der Partei Fratelli d'Italia angeführt. Ihre Minister wurden am Mittwoch vereidigt. Zu ihrem Kabinett gehören auch Matteo Salvini und Luigi Di Maio, die beiden anderen Führer der rechten Koalition.

Giorgia Meloni, die erste weibliche Premierministerin Italiens, hat klarzustellen versucht, dass sie nicht mit dem Titel "la Presidente" angesprochen werden möchte. Dies würde sich zwar anbieten, allerdings bevorzugt sie den Titel "il Presidente del Consiglio", was soviel bedeutet wie der Präsident des Ministerrats. Dies steht im ersten Communiqué, das herausgegeben wurde, als Meloni ihr Kabinett vorgestellt hatte. Eine peinliche Verwechslung auf der Ministerliste ließ dieses Corrigendum notwendig erscheinen. Wenn auch der Artikel noch geändert werden kann, so ist die Postfaschistin doch keine Feministin.

Giorgia Meloni und ihre 24-köpfige Regierung haben am Samstag im römischen Quirinalspalast ihren Amtseid vor Staatspräsident Sergio Mattarella geleistet. Die Spitzen der Europäischen Union gratulierten sofort: "Herzlichen Glückwunsch an Giorgia Meloni zu ihrer Ernennung zur italienischen Premierministerin, der ersten Frau in diesem Amt", kommentierte die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Sie freut sich auf eine "konstruktive Zusammenarbeit" mit der neuen italienischen Regierung.

In der neuen italienischen Regierung sind viele bereits bekannte Gesichter, die allerdings schon einige Jahre auf dem Buckel haben. Insbesondere die rechtsgerichtete Partei Fratelli d'Italia, welche bei den jüngsten Parlamentswahlen 26% der Stimmen erhalten hat, nimmt sich mit neun Posten einen großen Teil des Kabinetts. Die beiden weiteren regierenden Parteien Lega und Forza Italia erhalten fünf Ministerien. Zusätzlich gibt es fünf Ressorts, welche an parteilose Technokraten vergeben werden - unter ihnen allerdings keiner mit einem besonders prominentem Namen. Ursprünglich hatte die neue Ministerpräsidentin Meloni ein hochkarätiges Kabinett versprochen, doch herausgekommen ist lediglich ein mittelmäßiges Team alter Bekannter aus früheren Regierungszeiten von Silvio Berlusconi.

Einige Ministerien wurden umbenannt, was unterschiedliche Interpretationen zulässt. So ist das Familienministerium jetzt auch als "Ministerium für Natalität" bekannt. Dies ist von Bedeutung, da Italien seit vielen Jahren eine rückläufige Demografie aufweist. Auch das Ministerium für die wirtschaftliche Entwicklung wurde in "Ministerium der Unternehmen und des Made in Italy" umbenannt. Zuletzt trägt auch das Landwirtschaftsministerium den Zusatz "Souveränität über Lebensmittel", um die Förderung lokaler Produkte sicherzustellen. Melonis Absichten werden hier also deutlich widergespiegelt.

Antonio Tajani

Antonio Tajani, 69, Römer und Italiens neuer Außenminister, ist gleichzeitig auch Vize von Meloni. Tajani war in seinen jungen Jahren Monarchist. Er fand seinen wahren König, als er Berlusconi traf. Als der Medientycoon in die Politik wechselte, war Tajani dessen Sprecher - der Nachwischer und Exeget, wenn der Chef mal wieder entgleist ist. Antonio Tajani ist einer der führenden Politiker Italiens und hat sich in seiner Karriere vor allem in Europa einen Namen gemacht. Er saß fünf Legislaturperioden im Europaparlament und hat zwei Posten in der Europäischen Kommission innegehabt. Zuletzt war er erst vor ein paar Tagen wieder in Brüssel, wo er Berlusconis ungebrochene Zuneigung zu Wladimir Putin bekundete und den russischen Präsidenten schnell vom Aggressor der Ukraine zum Angegriffenen uminterpretierte; Tajani musste garantieren, dass Italien auf Kurs bleibt.

Matteo Salvini

Matteo Salvini, 49, aus Mailand, wollte ursprünglich wieder Innenminister werden. Er ist nun aber Transportminister und Vizepremier geworden. Mit den zwei Vizes sichert sich Meloni eine gewisse Stabilität - zumindest in Theorie. Die Parteien Lega und Forza Italia werden stark in die Verantwortung einbezogen. Doch ob dies ausreicht, ist ungewiss. Bereits gibt es einen Konflikt hinsichtlich der Befugnisse Salvinis'. Dieser hatte gehofft, dass er einen großen Teil der Ressourcen aus dem Wiederaufbaufonds für die Modernisierung von Infrastrukturen erhalten würde. Er wollte gerne durch Italien reisen und die Verwaltung des Wiederaufbauplans dem neuen Europaminister Raffaele Fitto überlassen, um sich von seinem Popularitätstief zu erholen. Doch Meloni wies die Verwaltung des Wiederaufbauplans ihrem Parteifreund Raffaele Fitto zu, dem neuen Europaminister. Eine neue Komponente "Meer" wird dem Ministerium für den Süden hinzugefügt, was bedeutet, dass Salvini die Hoheit über die Häfen und die Küstenwache verliert. Die Lega ist empört. Salvini dachte, er könnte das alte Spiel mit den Seenotrettern wieder aufnehmen. Es ist unvergessen, wie er im Zeitraum zwischen Sommer 2018 und Sommer 2019 sämtliche Häfen für NGOs und Rettungsschiffe der Marine in Italien geschlossen hat. In einem konkreten Fall steht er hierfür bis heute vor Gericht.

Giancarlo Giorgetti

Giancarlo Giorgetti, 53 Jahre alt aus Varese und Nummer zwei der Lega, ist der neue Minister für Wirtschaft und Finanzen. Er gilt als Freund und Denkverwandter von Mario Draghi, weshalb man ihn auch "Draghiano" nennt. Er soll Brüssel und die Finanzmärkte davon überzeugen, dass Italien keine unnötigen Schulden macht und die Bücher in Ordnung sind. Wahrscheinlich hätte ein anderer, international renommierterer Name noch stärker beruhigt, zum Beispiel Fabio Panetta von der Europäischen Zentralbank. Giorgetti muss nun in kurzer Zeit und in schwierigen Zeiten das Staatsbudget für 2023 ausarbeiten. Draghi hat etwas Vorarbeit geleistet, doch die Herausforderung bleibt riesig. Einige der größten Sorgen der Menschen in Italien sind die explodierenden Energiepreise, die Möglichkeit einer Rezession sowie der hohe Schuldenberg. Giorgetti, welcher an der renommierten Universität Bocconi Wirtschaft studiert hat, ist seit 1996 Abgeordneter im Parlament. In den zehn Jahren davor war er Präsident der Haushaltskommission.

Eugenia Roccella

Eugenia Roccella, 68 Jahre alt und aus Bologna, ist die neue Ministerin für Familie, Natalität und Gleichstellung in Italien. Sie ist von allen Nominierungen die umstrittenste. Sie galt früher als Feministin. Für Feministinnen, Bürgerrechtlern und Homosexuellen gilt "Theocon", wie sie auch in Italien die ultrakatholischen Konservativen genannt werden, als größtes Problem. Roccella stellt sich ganz offen gegen die eingetragenen Partnerschaften für gleichgeschlechtliche Paare, künstliche Befruchtung, Patientenverfügungen und Euthanasie. Abtreibung sei so für sie kein Thema. Während manche das Recht auf Abtreibung verteidigen, sehen andere es als finstere Seite der Mutterschaft an. Skeptiker befürchten, dass Regierungschefin Meloni durch ihre krawallige Beförderung von Roccella dazu beitragen könnte, die Situation in Polen und Ungarn wiederherzustellen, wo das Recht auf Abtreibung eingeschränkt wird.

Guido Crosetto

Guido Crosetto, 59, aus Cuneo, ist Verteidigungsminister und beeindruckt mit seiner großen Statur. Der "gute Riese der Rechten" ist knapp zwei Meter groß und wird oft in den Medien erwähnt. Er gründete 2012 zusammen mit Meloni die Partei Fratelli d'Italia und stand gemeinsam auf der Bühne. Danach hob er sie schnell mal hoch und trug sie auf seinen Armen. Crosetto ist ein Christdemokrat und war früher bei der Partei Forza Italia. Er ist zu einer Ikone in Italien geworden, besonders wenn die Brüder Italiens das Label "Postfaschismus" nicht mehr hören wollen. Sie weisen immer auf Crosetto als Beispiel hin. Crosetto, der zuletzt als Manager für ein Rüstungsunternehmen tätig war, das sich auf die Ausstattung von Marineschiffen spezialisierte, und auch als Lobbyist unterwegs war, soll von Meloni daher ein unverfänglicheres Ministerium bekommen. Crosetto wehrt sich gegen den Vorwurf eines Interessenkonfliktes und gibt an, dass er alle seine Ämter niedergelegt habe. Zudem wolle er seine Firmen auflösen. "Als Minister verzichte ich auf 90 Prozent meines bisherigen Lohns", so Crosetto.

Francesco Lollobrigida

Francesco Lollobrigida, 50, Römer und Großneffe der Schauspielerin Gina Lollobrigida, ist Italiens neuer Minister für Landwirtschaft und Souveränität über Lebensmittel. Vor allem aber ist er Melonis Schwager - Ehemann von ihrer älteren Schwester Arianna. Der neue Premierminister und der Fraktionschef saßen immer nebeneinander, da sie beide eine enge Beziehung zur Jugendbewegung der Postfaschisten hatten. Sie haben dieselbe Schule besucht. Meloni ist es wichtig, dass ihre Leute im Fernsehen gut rüberkommen und deshalb schickt sie häufig ihn. Er ist der so ziemlich der Einzige, der sich traut, ihr zu widersprechen und hat ein hollywoodeskes Lächeln. Seine Sätze klingen immer ein wenig gestanzt. Nun, da er neben dem Fraktionsvorsitz auch Ministerpflichten hat und Giorgia Ministerpräsidentin ist, soll Arianna Meloni entsprechend nachrücken - als Spitzenfrau in der Partei und als Aufpasserin. So bleibt alles in der Familie.

Eine Regierung mit unterschiedlichen Protagonisten

Italiens neue Regierung ist eine Regierung mit unterschiedlichen Protagonisten. Die neue Regierung besteht aus fünf Parteien: der Lega, der Fünf-Sterne-Bewegung, der Partei Demokratischer Fortschritt, Forza Italia und dem kleinen liberaldemokratischen Flügel. Diese fünf Parteien sind in vielerlei Hinsicht unterschiedlich. Sie haben unterschiedliche politische Ziele, unterschiedliche Wählerbasen und unterschiedliche politische Kulturen. Die Lega ist eine rechtspopulistische Partei, die sich vor allem gegen die Einwanderung richtet. Die Fünf-Sterne-Bewegung ist eine populistische Partei, die sich gegen die etablierte Politik richtet. Die Partei Demokratischer Fortschritt ist eine sozialdemokratische Partei, die sich für soziale Gerechtigkeit einsetzt. Forza Italia ist eine konservative Partei, die sich für wirtschaftlichen Fortschritt einsetzt. Der liberaldemokratische Flügel ist eine kleine liberale Partei, die sich für Bürgerrechte und die Achtung der Menschenwürde einsetzt. Diese fünf Parteien haben unterschiedliche politische Ziele. Die Lega will die Einwanderung stoppen und Italien vor den Folgen schützen. Die Fünf-Sterne-Bewegung will die etablierte Politik stürzen und das Volk an die Macht bringen. Die Partei Demokratischer Fortschritt will soziale Gerechtigkeit erreichen. Forza Italia will wirtschaftlichen Fortschritt erreichen. Der liberaldemokratische Flügel will Bürgerrechte und die Achtung der Menschenwürde durchsetzen. Italiens neue Regierung hat also unterschiedliche Ziele. Dies spiegelt sich auch in den unterschiedlichen Wählerbasen der fünf Parteien wider: Die Lega wird vor allem von rechtspopulistischen Wählern unterstützt, die Fünf-Sterne-Bewegung von populistischen Wählern, die Partei Demokratischer Fortschritt von sozialdemokratischen Wählern, Forza Italia von konservativen Wählern und der liberaldemokratische Flügel von liberalen Wählern. Diese unterschiedlichen Wählerbasen spiegeln sich auch in den unterschiedlichen politischen Kulturen der fünf Parteien wider: Die Lega hat eine rechtspopulistische politische Kultur, die Fünf-Sterne-Bewegung eine populistische politische Kultur, die Partei Demokratischer Fortschritt eine sozialdemokratische politische Kultur, Forza Italia eine konservative politische Kultur und der liberaldemokratische Flügel eine liberale politische Kultur. Italiens neue Regierung ist also sehr heterogen. Dies kann zu Schwierigkeiten führen, da es oft schwierig ist, unterschiedliche Positionen zu vereinbaren. Allerdings kann dies auch Vorteile haben: Da die Regierung sehr heterogen ist, kann sie versuchen, verschiedene Positionen anzusprechen und so möglicherweise mehr Menschen zu erreichen.

 

 

Keine Chance auf Rassismus im I-Net

Regierung will gegen Rassismus im Internet vorgehen

Düsseldorf (ots) - Die Bundesregierung will auf Internetportale einwirken, rassistische Hasstiraden schneller zu löschen. "Wir werden den Druck auf Facebook erhöhen, verantwortlich zu handeln", sagte Justizstaatssekretär Ulrich Kelber (SPD) der in Düsseldorf erscheinenden "Rheinischen Post" (Montagausgabe). Er warnte Rassisten vor der Annahme, sich im Internet verstecken zu können. Volksverhetzung und Hasstiraden gegen Verstorbene seien strafbar. Am Wochenende war die Polizei in Berlin gegen einen Facebook-Nutzer vorgegangen, der den Tod eines kleinen Flüchtlingsjungen am Strand der Türkei gefeiert hatte. Auch Innen-Staatssekretär Günter Krings (CDU) betonte, dass Hasstiraden, die gegen Strafgesetze verstießen, weder offline noch online hingenommen würden. "Das Netz ist kein rechtsfreier Raum", sagte Krings der Zeitung.

 

Quelle presseportal  Foto by flickr/ Angela Schlafmütze

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Kippt der Schutz privater Haushalte bei Gas?

"Es könnte das Schreckensszenario für die europäische Wirtschaft werden": Experten warnen vor den Folgen einer monatelangen Unterbrechung von Gasströmen

Die Energiewende ist in vollem Gange und wird auch in den kommenden Jahren weitergehen. Doch es gibt viele Menschen, die sich Sorgen machen, was das für ihren privaten Haushalt bedeuten könnte. Besonders dann, wenn Putin den Gashahn wirklich abdreht.

Auch wenn Gas im Moment noch relativ günstig und in ausreichender Menge zu haben ist, kann es in Zukunft knapper und teurer werden. Dies ist eine der Befürchtungen von Umweltminister Robert Habeck (Grüne), der nun einen Gesetzesentwurf vorgelegt hat, der die Versorgungssicherheit für private Haushalte stärken soll.

Derzeit sind die großen Gasversorger verpflichtet, auch in Krisensituationen den privaten Haushalten die notwendige Energie zur Verfügung zu stellen. Die Industrie dagegen kann bei Engpässen abgekoppelt werden. Dies gilt als ungerecht, weil es die kleinen Verbraucher trifft, die am wenigsten dafür können.

Mit dem neuen Gesetzesentwurf will Habeck diese Ungleichheit beseitigen und die Versorgungssicherheit für alle verbessern. Allerdings sieht er auch einige Schwierigkeiten auf dem Weg dorthin. So ist es nicht einfach, die Interessen der unterschiedlichen Akteure auf dem Energiemarkt unter einen Hut zu bringen. Auch die EU-Kommission mischt sich in die Debatte ein und macht Druck auf Deutschland, keine Alleingänge zu machen.

Trotzdem ist es wichtig, dass über solche Themen diskutiert wird. Denn mit der Energiewende wird sich die Situation auf dem Gasmarkt verändern und es kann zu Engpässen kommen. Insofern ist es richtig, dass Habeck dieses Problem angepackt hat.

Monatelange Dunkelheit, kein Heizen, keine Kühlung: So sieht unsere Zukunft aus, wenn der Worst Case eintritt!

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hat die bisher vorgesehene Priorisierung von Verbrauchern gegenüber der Industrie im Falle einer Gasknappheit infrage gestellt. Private Haushalt müssten auch „ihren Anteil leisten“, sagte Habeck bei einem Besuch in Wien am Dienstag. Denn „eine dauerhafte oder langfristige Unterbrechung von industrieller Produktion“ hätte „massive Folgen“ für die Versorgungssituation. Insbesondere sei es nicht vertretbar, dass die Industrie unter der Knappheit zu leiden habe und die Folgen tragen muss, während private Haushalte vorrangig behandelt werden.

Der Minister führte weiter aus, dass die europäische Notfall-Verordnung Gas einige sinnvolle Regelungen für die Bevölkerung beinhaltet. So seien kritische Infrastruktur und Verbraucher geschützt, während Industrie und Wirtschaft nicht im Fokus stehen. Dies sei sinnvoll bei kurzfristigen und regionalen Problemen, etwa wenn ein Kraftwerk ausfällt. Allerdings sollten diese Regelungen überdacht werden, da sie laut dem Minister bei einem langen Ausfall der Infrastruktur unzureichend seien.

Experten warnen, dass ein solches Ereignis verheerende Folgen für die europäische Wirtschaft haben könnte.

Das Schreckensszenario einer monatelangen Unterbrechung von Gasströmen droht immer realer zu werden. Experten warnen, dass ein solches Ereignis verheerende Folgen für die europäische Wirtschaft haben könnte. Insbesondere Deutschland, das stark von Gasimporten abhängig ist, würde empfindliche Schäden nehmen. Die Bundesregierung hat bereits Maßnahmen ergriffen, um sich auf eine solche Situation vorzubereiten, doch Experten sind sich einig: Sollte es tatsächlich zu einer Unterbrechung der Gaslieferungen kommen, wäre die Lage des Landes dramatisch.

Angesichts der drohenden Gasunterbrechung fordert Ministerpräsident Habeck eine schnelle Änderung der europäischen Regeln. Konkret geht es darum, dass private Haushalte und elementare Infrastrukturen wie Krankenhäuser bei einer Gasunterbrechung bevorzugt werden. Derzeit ist es nach den europäischen Regeln so, dass zuerst die anderen Kunden – vor allem Kraftwerke und Industrieverbraucher – abgeschaltet werden müssen, bevor die „geschützten Kunden“ abgestellt werden können. Eine nennenswerte Debatte auf europäischer Ebene gibt es bisher nicht.

Es hagelt Kritik von allen Seiten

Die zunehmenden Kosten in der Energiepolitik sind ein großes Thema auf der diesjährigen G-7 Konferenz. Insbesondere Raed Saleh, Landes- und Fraktionschef der SPD in Berlin, äußert dabei scharfe Kritik an Habeck. Dessen Vorschlag, die Kosten teilweise auf die Verbraucher abzuwälzen, sei "unterkühlte Politik". Stattdessen fordert er vom Bund eine stärkere Beteiligung an den explodierenden Kosten. Laut Saleh werde der Bund durch die gestiegenen Kosten "rund 50 Milliarden Euro ungeplante Mehreinnahmen" erzielen.

Zuvor hatte Habeck die Priorisierung der Gasversorgung für Haushalte infrage gestellt. Eine dauerhafte Unterbrechung von industrieller Produktion hätte massive Folgen für die Versorgung, sagte Habeck am Dienstag. Saleh forderte von Habeck, dass sich der Bund bei den explodierenden Kosten stärker zu beteiligen habe. Der Bund habe durch die gestiegenen Kosten überall zwischen 2021 und 2023 „rund 50 Milliarden Euro ungeplante Mehreinnahmen aus genau diesen Kostenentwicklungen bei der Mehrwertsteuer“, wie Saleh sagte.

Saleh polarisiert

Saleh warnt, dass Habeck die Mittelschicht in den Abgrund reißen könnte, wenn er nicht bald seine Taktik ändert. Der SPD-Landes- und -Fraktionschef kritisiert außerdem, dass die Grünen selbst einige der aktuellen Probleme verursacht haben. Insbesondere beim Thema Erdgas hätten sie 2020 und 2021 klare Fehler gemacht, welche die Abhängigkeit von Russland verstärkt und zu geringen Speicherfüllständen in Deutschland geführt haben.

Auch die Mieterverbände reagieren verstimmt

Der Mieterbund reagiert mit Ablehnung auf Habecks Äußerungen zur Gasversorgung in Deutschland. Laut dem Verband ist es die Aufgabe der Bundesregierung, sich an geltendes EU-Recht zu halten und alles Erdenkliche zu tun, um die Gasversorgung für private Haushalte und Industrie sicherzustellen. Dies sei mit den aktuellen Plänen zur Förderung von Erdgas nicht gewährleistet.

Der Berliner Mieterverein hat sich zu den Spekulationen über eine Aufweichung der Priorisierung von kritischer Infrastruktur wie Krankenhäusern oder Altenheimen geäußert und fordert die bisherige Priorisierung beizubehalten. Geschäftsführer Reiner Wild befürchtet aber, dass ordnungsrechtliche Vorgaben Eingriffe in die zulässige Raumtemperatur ermöglichen werden und es so zu einer Privilegierung von Eigentümern gegenüber Mietern käme.

FDP und Union stimmen ein

Die FDP hat in dieser Woche die Grünen unter Druck gesetzt, was die Kernenergie in Deutschland angeht. Obwohl die drei verbliebenen Atomkraftwerke Ende des Jahres abgeschaltet werden sollen, fordert die Union seit langem, dass sie vorerst am Netz bleiben.

Nun hat sich auch der Fraktionsvorsitzende der FDP, Christian Dürr, für eine längere Laufzeit der AKW ausgesprochen. Darüber hinaus sagte der energiepolitische Sprecher der Fraktion, Michael Kruse, dem Tagesspiegel Deutschland brauche zur Klärung der offenen Fragen einen "Kernkraftgipfel" mit Betreibern von Kraftwerken, den zuständigen Branchenverbänden und Politikern. "Es darf keine Kilowattstunde leichtfertig verschenkt werden", sollten wir im Winter in eine Notlage kommen.

Habeck skizziert die Lage realistischer

Die Debatte über die Sicherheit der Energieversorgung im kommenden Winter ist in vollem Gange und jeder will seine Meinung sagen.

Die Grünen sprechen von einer Scheindebatte, da sowohl Habeck als auch Fraktionschefin Katharina Dröge die Forderungen zurückgewiesen haben. Atomkraft würde kaum helfen, die Gasknappheit in Deutschland zu lindern. Dabei geht es vor allem um die Bereiche Wärme und Industrie, sagte Habeck weiter. Der Berliner Senat arbeitet an eigenen Konzepten, um Berliner vor dem Frieren im Winter zu bewahren. Das bestätigte Sozialsenatorin Katja Kipping dem Tagesspiegel.

Nach Tagesspiegel-Informationen könnten das zum Beispiel Wärmeinseln sein. Es wird diskutiert, Stadtteilzentren oder andere Sozialeinrichtungen dafür zu nutzen. Allerdings laufen hier noch die Beratungen mit "allen Akteuren", wie die Sozialverwaltung auf Tagesspiegel-Anfrage mitteilte. Die Belegung von Turnhallen sei jedoch explizit nicht geplant, sagte Kipping abschließend.

Jenseits aller Polemik

Während alle anderen Parteien den Schwarzen Peter in diesen Zeiten der Gasknappheit den Grünen zuschieben wollen, bleibt Habeck einfach Habeck und analysiert fachlich und nüchtern die Situation. Alternativen zu den bisherigen EU-Richtlinien scheinen unausweichlich zu sein. Es sei denn, man will den letzten Rest der Großindustrie in Deutschland vor die Wand fahren. Neben parteipolitischem Kalkül sollte man die Lage jedoch realistisch einschätzen. Und realistisch würde bei einer Gasknappheit zu einer massiven Katastrophe in der Wirtschaft führen, die nicht mit Ausgleichszahlungen wieder gutzumachen ist.

So eine Situation würde zu einer dauerhaft massiv steigenden Arbeitslosigkeit führen. Und noch schlimmer - diese verlorenen Arbeitsplätze würden wohl bei einer Normalisierung der Situation auch nicht wieder neu entstehen. Deutschland kann sich langsam von dem Gedanken verabschieden, dass es in Zukunft so weitergeht wie in den letzten 60 Jahren. Vielmehr wird das Wort Verzicht in Zukunft größer geschrieben werden müssen. Und auch das deutsche Versprechen von Wohlstand muss man in Zukunft mit einem großen Fragezeichen versehen.

 

  • Publiziert in Politik

Xi Jinping stärkt seine Macht in China

Xi Jinpings Ideologie und dauerhafte Führungsrolle in der Parteiverfassung abgesegnet

Auf dem diesjährigen, alle fünf Jahre stattfindendem Parteitag der Kommunistischen Partei Chinas in Peking, wurde Staats- und Parteichef Xi Jinping seine Macht weiter ausgebaut. Zum Abschluss des Kongresses segneten die 2300 Delegierten Xi Jinpings Ideologie und dauerhafte Führungsrolle in der Parteiverfassung ab. Der frühere Staatschef wurde unvermittelt und überraschend von seinem Podium entfernt.

In dem Beschluss heißt es, dass Xi als "Kern des Zentralkomitees" und durch seine Theorien die Widersprüche und Probleme des Landes bewältigen konnten. Die Partei und China sind vor komplexen Situationen und schweren Herausforderungen gestellt, die weltweit einzigartig sind.

Bruch mit der Norm

Die Delegierten segneten zudem die 205 Mitglieder des neuen Zentralkomitees der Kommunistischen Partei ab. Dieses Gremium leitet die Arbeit in der Partei und setzt Beschlüsse des Parteitags um. Allerdings ist Noch-Ministerpräsident Li Keqiang nicht unter den Mitgliedern - das bedeutet, er wird in den Ruhestand gehen.

Das neue Zentralkomitee wird sich morgen treffen, um das Politbüro und den Ständigen Ausschuss zu bestimmen - das oberste Führungsgremium der Kommunistischen Partei und damit auch der Volksrepublik.

Wie aus dem Umfeld des chinesischen Staatschefs Xi Jinping bekannt wurde, soll dieser auch weiterhin die Funktion als Generalsekretär und Chef der Militärkommission innehaben. Durch diese dritte Amtszeit würde er zwar gegen eine Norm verstoßen, welche besagt, dass nach zwei Amtszeiten Schluss ist. Dennoch scheint es unwahrscheinlich, dass ihm dies innerhalb der Partei übel genommen wird. Zum einen ist er bereits 69 Jahre alt und hat damit das parteiinterne Alterslimit bereits überschritten. Zum anderen gilt er als so mächtig wie kein anderer Staatschef seit Langzeitdiktator Mao Tsetung.

Nach Xi Jinping folgt erneut Xi Jinping

"Die wichtigste politische Neuerung dieses Parteitags ist nach Auffassung von Katja Drinhausen vom China-Institut Merics in Berlin nicht auf dem Papier zu finden: Anstatt nach zwei Amtszeiten als Generalsekretär für einen jüngeren Nachfolger Platz zu machen, stellt sich Xi als sein eigener Nachfolger auf."

Richard McGregor, Australienexperte vom Lowy-Institut, ist der Ansicht, dass Xi Jinping in seiner dritten Amtszeit feststellen wird, dass dies die schwerste ist. Der Grund hierfür liegt laut McGregor darin, dass Xi ein personalisiertes System geschaffen hat, bei dem keine andere Person ihm nahe kommen kann. Dies führt gemäß des bekannten US-Politikwissenschaftlers Francis Fukuyama in "The Atlantic" zu schlechten Entscheidungsprozessen.

Die einwöchige Sitzung, die sorgfältig orchestriert wurde, endete mit einem Zwischenfall um den früheren Staats- und Parteichef Hu Jintao. Zwei Männer eskortierten Ex-Staatschef Hu Jintao ab, während sich die Presse versammelt hatte.

Der 79-jährige Vorgänger von Xi war offensichtlich ziemlich verwirrt, als er gebeten wurde, den Saal zu verlassen. Der Stuhl neben Generalsekretär Xi blieb anschließend leer. Die Aktion wird von Beobachtern als Machtdemonstration des amtierenden und künftigen Staats- und Parteichefs gesehen - und als Warnung an seine innerparteilichen Gegner.

Hu Jintao war Mitglied der kommunistischen Jugendliga, die von Xi Jinping in der Vergangeheit bereits deutlich geschwächt worden ist. Der frühere Staatschef vertrat jenes Führungsmodell mit Vertretern verschiedener Fraktionen und Altersbegrenzungen, das eine Machtkonzentration wie unter Staatsgründer Mao Tsetung verhindern sollte.

Regiert mit harter Hand

In den vergangenen zehn Jahren hat Xi Jinping eine harte Hand benutzt, um China und die Kommunistische Partei an sich anzupassen. Sicherheit, staatliche Kontrolle der Wirtschaft im Namen des "gemeinsamen Wohlstands", durchsetzungsfähigere Diplomatie, ein stärkeres Militär und die Übernahme des demokratisch regierten Taiwan stehen im Vordergrund.

Er brach vor vier Jahren die Amtszeitbeschränkungen für Präsidenten ab und machte sich so den Weg frei, um eine dritte fünfjährige Amtszeit als Generalsekretär der regierenden Kommunistischen Partei zu absolvieren.

Mit diesem Schritt hat Xi Jinping klar gemacht, dass er die Macht in China fest in den Händen halten will. Er gilt als einer der mächtigsten Staatschefs weltweit. Seine Politik ist autoritär und zentralistisch. Viele seiner Maßnahmen haben zu einer Verschärfung des sozialen und politischen Klimas in China geführt.

Xi Jinping ist ein Mann, der seine Ziele konsequent verfolgt. Er will China zu einer Weltmacht machen und die Kommunistische Partei zur alleinherrschenden Macht in China aufbauen. Dafür ist er bereit, auch harte Maßnahmen zu ergreifen. In den letzten Jahren hat er die Medien- und Internetzensur in China massiv ausgeweitet und die Repression gegen Regimekritiker verschärft. Tausende Menschen wurden inhaftiert, viele von ihnen mussten sich vor kommunistischen Parteigerichten verantworten.

Xi Jinping ist ein Mann mit großer Macht - und noch größeren Ambitionen. In den kommenden Jahren wird er weiter versuchen, China nach oben zu bringen - um jeden Preis.

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