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Dicke Luft in der Türkei beim Besuch von Außenministerin Baerbock

Baerbock ist auf einer dreitägigen Reise in die Ägäis unterwegs, am Mittwoch ist sie in Istanbul. Bevor es am Dienstagabend nach Athen ging, hatte sie Telefonkontakt mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), der griechischen Regierungschefin Kyriakos Mitsotakis und dem österreichischen Bundeskanzler Sebastian Kurz.

Ziel der Delegationsreise ist es, die deutsche Migrationspolitik voranzutreiben und dabei auch die Interessen Griechenlands zu berücksichtigen. Doch schon jetzt zeichnen sich Konflikte ab. In einer Fernsehdebatte am Dienstagabend hatte sich Baerbock klar gegen türkische Gebietsansprüche im östlichen Mittelmeer positioniert. "Wenn man die Karten neu mischt, gibt es keinen Frieden mehr", sagte sie.

Am Freitagabend fand das erwartete Zusammentreffen zwischen der deutschen Außenministerin Annalena Baerbock und ihrem türkischen Kollegen Mevlüt Çavuşoğlu statt. Bereits nach kurzer Zeit konnte man eine angespannte Atmosphäre feststellen.

Çavuşoğlu beschimpfte Baerbock und warf ihr vor, dass Deutschland längst keine neutrale Rolle mehr spiele. Er begründete dies jedoch nicht weiter.

Annalena Baerbock ist aktuell in der Ägäis mit dem Ziel, sich sowohl mit den Vertretern der Türkei als auch Griechenland auszutauschen. Im Fokus liegen dabei Themen wie die Migrationspolitik, Gebietsansprüche im östlichen Mittelmeer sowie Erdgas. Ein insgesamt herausfordernder Doppelbesuch, bei dem zahlreiche komplexe Fragestellungen zu berücksichtigen sind.

In einem Gespräch mit dem türkischen Außenminister in Istanbul über die angespannte Beziehung der beiden Länder, bedankte sich Baerbock für die Offenheit. Gleichzeitig wies sie auf die unterschiedlichen Meinungen in diversen Streitpunkten hin. Während Cavusoglu sah, dass die deutsche "Ausgewogenheit" schwindet, blieb Baerbock höflich und offen für weitere Gespräche.

Klare Forderung von Baerbock

Am Freitag forderte Bundesaußenministerin Annalena Baerbock bei einer Pressekonferenz mit ihrem türkischen Kollegen Mevlüt Cavusoglu in Istanbul die Freilassung des inhaftierten Kulturförderers Osman Kavala. Sie sehe es als ihre Pflicht an, die Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte „zu achten und zu verteidigen, und zwar ausnahmslos und zu jeder Zeit“, sagte Baerbock.

Die Freilassung von Osman Kavala, welche das Europäische Gerichtshof für Menschenrechte angeordnet hat, ist für mich ein großes Anliegen, so die Ministerin. Sie ist sich bewusst, dass es in diesen schwierigen Zeiten sehr schwer ist über Themen zu reden, wo beide Seiten wahrscheinlich unterschiedlicher Meinung sind. Jedoch sind genau diese Zeiten diejenigen, in denen wir bereit sind uns gegenseitig zuzuhören - auch wenn es manchmal wehtut.

Der Unternehmer Kavala wurde von einem Gericht in Istanbul wegen des Vorwurfs des versuchten Umsturzes der türkischen Regierung zu lebenslanger Haft verurteilt. Dies ist ein klares Zeichen dafür, dass die Türkei ihre Machtposition nicht aufgeben wird und weiterhin hart gegen jegliche Form von Regierungskritik vorgeht. Die türkische Regierung wurde weltweit für ihr skandalöses Urteil kritisiert. Dieses sah vor, dass ein Mensch, der den Präsidenten beleidigt, mit bis zu vier Jahren Haft bestraft werden kann. Die Kritik an diesem Gesetz wird von der türkischen Regierung als Einmischung in die Angelegenheiten des Staates zurückgewiesen.

Der Geschäftsmann Kavala befindet sich seit über vier Jahren in dem Hochsicherheitsgefängnis Silivri. Er wurde festgenommen, weil er die Gezi-Proteste finanziert und organisiert haben soll. Diese fanden statt, um gegen die Regierung von Erdogan zu protestieren.

Kavala war schon einmal wegen Spionagevorwürfen festgenommen worden, konnte sich jedoch durch ein Gericht im Februar 2020 freibekommen. Kaum aus der Haft entlassen, wurde er erneut festgenommen – diesmal mit dem Putschversuch gegen Erdogan im Jahr 2016 in Zusammenhang gebracht. Kavala bestreitet allerdings alle Vorwürfe.

„In letzter Zeit sehen wir, dass Ausgewogenheit leider verloren geht“

Gerade bei Konflikten, die Griechenland und die Türkei untereinander haben, wirft Cavusoglu Deutschland vor, Parteilichkeit zu zeigen. In der Vergangenheit hat sich Deutschland immer sehr ausgewogen verhalten und ehrliche Vermittlung betrieben, aber in letzter Zeit ist es Cavusoglu zufolge so, als ob diese Ausgewogenheit verloren gegangen ist.

"Es ist wichtig, Informationen aus allen verlässlichen Quellen zu erhalten und sich nicht von einseitigen Provokationen und Propaganda beeinflussen zu lassen", so Cavusoglu weiter. Er appelliert an alle Drittstaaten, hierzu auch Deutschland, sich nicht auf die Aussagen von Griechenland und dem griechischen Teil Zyperns zu verlassen.

Zur Klärung des Konfliktes zwischen den Nachbarländern um griechische Inseln in der Ostägäis besuchte die Politikerin Baerbock kürzlich Athen. Vorort bekannte sie sich eindeutig zu Griechenland und appelliert an eine friedliche Lösung.

Türkei erhebt Anspruch auf griechische Inseln

Ankara stellt die Souveränität Athens über etliche Inseln in der östlichen Ägäis regelmäßig infrage. Die Regierung beruft sich dabei auf internationale Verträge, wonach diese Inseln nicht militarisiert sein dürfen und unterstreicht ihre Forderungen mit Luftraumverletzungen und sogar Überflügen türkischer Kampfjets über bewohnte Inseln. Griechenland rechtfertigt die Truppenstationierung auf den Inseln mit der Präsenz zahlreicher Landungsboote an der türkischen Westküste und verweist auf sein Recht zur Selbstverteidigung.

Die Lage ist angespannt, weil die Türkei angekündigt hat, griechische Inseln "besetzen" zu wollen. Das ist eine Provokation, weil Griechenland seit Jahren versucht, seine Grenzen zu sichern. Die Türkei hingegen hat Hunderttausende von Migranten in das Land gelassen und ermutigt sie weiterhin, nach Europa zu kommen. Die EU hat bereits mehrfach versucht, die Türkei dazu zu bewegen, ihre Grenzen zu schützen und die Migration einzudämmen. Bisher hat das jedoch nicht funktioniert. Nun droht die Situation eskalieren. Griechenland hat bereits angekündigt, militärisch gegen die Türkei vorgehen zu wollen, falls sie ihre Drohung wahrmachen sollte. Die Türkei hingegen droht mit Gegenmaßnahmen, falls Griechenland militärisch vorgeht.

Die wahren Motive der Türkei

Die Situation ist also sehr angespannt. Es bleibt abzuwarten, ob Ministerin Baerbock und ihr türkischer Amtskollege Cavusoglu eine Lösung finden werden.

Die Türkei und Griechenland sind zwei NATO-Partner, die bezüglich vieler Themen unvereinbar sind. Ein langjähriger Konflikt zwischen den beiden Ländern besteht beispielsweise auch hinsichtlich der Erdgasvorkommen im östlichen Mittelmeer.

Die Türkei hat in den vergangenen Jahren immer wieder militärisch in das östliche Mittelmeer vorgestoßen und Gebiete beansprucht, die nach internationalem Recht eigentlich Griechenland zustehen.

Ankara begründet das mit dem Schutz der Türkischen Republik Nordzypern, doch die Wahrheit ist, dass es um Erdgas geht. Tief unter dem Meeresboden liegen riesige Vorkommen an Rohstoffen, die in den kommenden Jahren immer wichtiger werden. Deshalb befindet sich die Region immer wieder im Fokus von Konflikten – auch zwischen Deutschland und der Türkei.

 

Wieder Angriffe der türkischen Luftwaffe gegen PKK

Der Konflikt mit den Kurden eskaliert

Es schien noch bis vor ein paar Wochen alles auf einem guten Weg zu sein zwischen der Türkei und den Kurden, doch nun explodiert die Situation geradezu. Denn nachdem am Freitag die türkische Regierung eine Razzia Großoffensive gegen die IS und die PKK in die Wege leitete und dann auch noch Militärschläge gegen kurdische Stellungen folgten, schien die Büchse der Pandora erneut geöffnet worden zu sein. Und nun folgten gestern erneute türkische Luftschläge gegen die PKK. Nun soll die Nato eingreifen und Schlimmeres verhindern. 

Luftschläge im Nordirak

Die Sender CNN-Türk und NTV haben übereinstimmend berichtet, dass vom türkischen Luftwaffenstützpunkt Diyarbakir um kurz nach 19 Uhr MEZ F-16 Jets gestartet seien und danach Richtung Kandil-Berge geflogen sind, wo sie Stellungen der kurdischen Rebellen angegriffen haben. Bereits vorher haben die Militärs der PKK offen verkündet, dass der seit 2013 geltende Waffenstillstand nun ‚keine Bedeutung mehr hat‘. 

Jetzt soll am Dienstag ein Sondertreffen der NATO stattfinden

Dieses Treffen wurde von der Türkei beantragt. Die türkische Regierung hat um dieses Treffen gemäß Artikel 4 des Nato-Vertrages gebeten. Danach findet das Treffen aus Sicht der Türkei deshalb statt, weil die Unversehrtheit des eigenen Territoriums, die politische Unabhängigkeit oder die eigene Sicherheit bedroht ist. Das ist deshalb besonders brisant, weil die Kurden der Türkei vorwerfen, dass sie sich bewusst aus dem IS-Konflikt zurückgehalten haben und damit für die kurdischen Toten mitverantwortlich seien, die bei den IS-Überfällen gegen kurdische Siedlungen gestorben waren. Allerdings stufen sowohl Deutschland als auch die USA die PKK nach wie vor als terroristische Bedrohung ein und das obwohl Deutschland noch unlängst den Peschmergern, eine andere kurdische Gruppe, Waffen und logistische Unterstützung bei ihrem Kampf gegen den IS zukommen ließ.

 

Foto by Montecruz Foto 

  • Publiziert in Politik
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