Als Theo in die Welt zog
Die Geschichte vom kleinen Gartenzwerg
Theo ist ein Gartenzwerg. Aber warum sollten Gartenzwerge eigentlich ihr Glück nicht in der großen weiten Welt finden können, sagte sich Theo, als er und seine Zwergen Brüder und Schwestern wieder eines Abends zusammen im Garten standen und darüber diskutierten, was das eigentlich für ein Gefühl wäre, wenn man so richtig glücklich wäre. Vermutlich war es doch gar nicht so schwer, das wirklich echte Glück zu finden. Das zumindest sagte ein Mann, der am Morgen noch mit seinem Wagen ganz nahe am Gartenzaun stand und einer Frau, die gerade mit Ihrem Kind und ihrem Hund spazieren gegangen war, davon erzählte, dass er am Abend auf dem Marktplatz zu diesem Thema eine Rede halten würde. Seitdem diskutierte die ganze Gartengemeinde darüber, ob der geheimnisvolle Fremde mit der Dame nur einen Schabernack getrieben habe, oder ob er wirklich das Geheimnis des Glücks kenne. Vielleicht war es sogar ganz leicht, so richtig glücklich und zufrieden zu sein. Vielleicht ein geheimer Zaubertrank, den man nur trinken musste und schon kam das Glück ganz von allein und dabei gleichzeitig so intensiv, dass man sich gar nicht vorstellen könnte, wie das genau wäre, wenn man es selbst erleben würde.
Nachdem also bereits stundenlang darüber diskutiert worden war, fasste Theo den Entschluss, dass er es jetzt genau wissen wollte. Er hatte sich fest vorgenommen, in der Nacht, wenn alle schlafen würden, seine Gartenzwerg Sachen zu packen und sich aufzumachen, um den geheimnisvollen Fremden in der Stadt zu suchen, damit er endlich Gewissheit haben könnte. Er war schon sein ganzes Leben lang in demselben Garten ein stolzer Vorstadtzwerg, der außer seinem Garten und seinen Gartenzwerggeschwistern nichts anderes kennengelernt hatte. Es musste doch noch mehr geben, als nur diesen Garten. Tagsüber taten sich die Zwerge sowieso schwer damit, ihr Leben zu genießen. Schließlich war es ihre Aufgabe, still zu stehen, solange Menschen in der Nähe waren, oder Kinder um sie herum spielten. Doch immer dann, wenn sie wieder allein waren, kamen die schönsten Gespräche zustande und alle Zwerge spielten immer so lange miteinander, bis sie müde waren und sich wieder auf ihre alten Positionen begeben mussten, still stehend, bis sie wieder aus ihrem Dornröschen ähnlichen Schlaf erwachen duften.
Nun also war es endlich soweit. Theo schaute auf seine Zwergenuhr und vergewisserte sich, dass nicht nur die Menschen im Haus tief und fest schliefen, sondern auch seine Zwergengeschwister selig schlummerten. Er griff kurzerhand seinen Zwergenrucksack, packte seine sieben Sachen ein und machte sich mit langen Schritten auf Richtung Gartentor. Zugegebenermaßen waren es natürlich winzig kleine Schritte, wenn man das Ganze von außen betrachtet hätte. Aber für Theo waren es die größten Schritte, die er je in seinem Leben gemacht hatte. Als er endlich am Tor angekommen war, drehte er sich ein letztes Mal um und trat auf die Straße vor dem Tor. Gespannt schaute sich Theo um, denn alles was er sah, hatte er bisher noch nie gesehen. Eine lange Straße, die direkt am Grundstück vorbei führte und auf der gegenüberliegenden Seite ein Wald. Das schien genau das richtige zu sein, dachte sich Theo. Hier kann er nicht aufgespürt werden von neugierigen Menschen, während er Richtung Stadt wandern würde.
Erst einmal im Wald angekommen, könnte er sich Zeit lassen und müsste nicht so hetzten. Schließlich konnte er sich im Wald gut verstecken und es würde nicht einmal seine rote Zwergenmütze auffallen, wenn er sich zwischen den Ästen und Blättern verstecken müsste. Für Theo erschloss sich eine neue Welt, eine Welt voller Geheimnisse und voller Dinge, die er noch niemals gesehen hatte. Bereits nach wenigen Metern stand er vor einem riesigen Baum. Einen Baum, der so groß war, dass er die Baumkrone nicht sehen konnte. Wie es wohl sein musste, wenn man von da oben hinunter sehen würde, dachte Theo noch, als er von einem Geräusch aus seinen Gedanken gerissen wurde. Er spitze seinen Zwergenohren und hörte noch einmal genau hin. Was war dieses merkwürdige Geräusch, das er noch eben noch gehört hatte? Da plötzlich hörte er es wieder. Es hörte sich an, als würden Äste und Blätter gleichzeitig zerdrückt und doch war es kein Geräusch, das im Bruchteil einer Sekunde wieder verklungen war, sondern es geschah ganz langsam, ja fast wie in Zeitlupe. Wenn man ein Geräusch überhaupt in Zeitlupe hören kann, dachte Theo noch, als er das Geräusch wieder hörte und diesmal auch die Richtung identifizieren konnte, aus der das Geräusch kam. Es war klar, dass das auf jeden Fall etwas Großes sein musste, das konnte man schon an der Lautstärke des Geräusches hören und so überlegte Theo noch, ob er sich lieber gleich unter den Blättern verstecken sollte, als ihn auch schon zwei große Augen anschauten. Zu spät, dachte er sich. Zu spät, sich zu verstecken, als er vorsichtig nach oben schaute in diese zwei großen Augen, die zu seiner Überraschung auch ganz erstaunt schauten.
„Wer bist du denn“, fragte ihn das Reh, das sich langsam in seiner vollen Größe vor Theo aufbaute.
„Ich bin Theo“, meinte der überraschte Zwerg.
„Ich bin Halle“, sagte das Reh, „und ich bin ein Reh. Was bist Du denn? So ein Tier wie Dich habe ich hier noch nie gesehen“.
„Ich bin ein Gartenzwerg und ich wohne hier gleich hinter der Straße“ antwortete Theo.
„Aha“ sagte das Reh. „Es ist schön Dich kennenzulernen Theo. Was treibst Du denn hier mitten in der Nacht?“
„ich bin auf der Suche nach dem Glück“ antwortete Theo sehr ernsthaft. „Ich suche nach einem Mann, der heute an unserem Gartenzaun vorbeigekommen ist und gesagt hat, dass er wüsste, wie man das ganz große Glück finden könnte“. Und schnell fügte er noch hinzu „und ich will auch einmal erleben, wie es sich anfühlt, wirklich total glücklich zu sein“.
„Davon weiß ich nichts“ sagte Halle. „Ich bin den ganzen Tag hier im Wald und auf den Wiesen und spiele mit meinen Freunden, den anderen Rehen. Das macht mir so viel Spaß, dass ich mir kaum vorstellen kann, dass es noch mehr Glück geben kann“.
„Natürlich muss es noch mehr Glück geben“ antwortete Theo. „Schließlich hat der Mann ja davon erzählt, wie wunderbar und toll es sich anfühlen würde, wenn man erst wüsste, wie das geht – die Sache mit dem Glück. Ich müsste diesen Mann nur finden. Er sagte, dass er unterwegs wäre zum Marktplatz“.
„Na dann wüsche ich Dir viel Erfolg bei Deiner Suche“ antwortete Halle „und dass Du das findest, was Du suchst. Ich denke, Du musst in diese Richtung, wenn Du in die Stadt laufen willst, rief Halle Theo noch hinterher, der sich mittlerweile schon wieder auf den Weg gemacht hatte. „Immer geradeaus und wenn der Wald sich dann lichtet, kannst Du schon die Lichter der Stadt sehen“.
Endlich hatte Theo nicht nur eine neue Freundin kennengelernt, sondern auch noch einen wichtigen Hinweis erhalten, wo er nach dem geheimnisvollen Fremden suchen muss. Also setzte er seinen Weg fort durch den dunklen Wald. mittlerweile war der Mond auch noch von einer dicken Wolkenschicht verdeckt, so dass man kaum die Hand vor Augen sah. Aber das machte Theo nichts aus, was sollte einem Gartenzwerg schon passieren?
Wenn Du wissen willst, wie es Theo weiter ergangen ist, dann musst Du Dich noch ein wenig gedulden. Wir werden Dir dann weiter davon berichten, ob der kleine Gartenzwerg sein Glück findet.
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- Publiziert in Geschichten
- geschrieben von Alexandros Tallos