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Bröckelt Europa langsam weg?

EU-Gipfel Schlechte Aussichten für Europa Knut Pries, Brüssel

Bielefeld (ots) - EU-Gipfelchef Donald Tusk ist bange: "Ich fürchte, 2016 wird so schwierig wie 2015." Wahrscheinlich ist die Ahnung des Polen sogar untertrieben. 2016 wird nicht einfach ein besonders schwieriges Jahr für die EU. Es wird das Jahr, in dem sich entscheidet, ob die Union den Trend zur Selbstabwicklung umkehren kann oder weiter Richtung Abgrund trudelt. Dabei sind die meisten Herausforderungen, denen sich die verdrossene Gemeinschaft der 28 Mitgliedstaaten in den kommenden zwölf Monaten gegenüber sieht, nicht neu. Bald jeder EU-Bürger kann die Stichworte im Schlaf hersagen: Griechenland und der Euro, Flüchtlinge, Terrorismus und Islamischer Staat, Vormarsch der Rechten. Krisen? Haben wir früher auch gehabt, sagen die Beschwichtiger. Doch es gibt einen Unterschied: Noch nie haben sich so viele Großprobleme übereinander geschoben. Und gelöst ist keines. Grexit, der krachende Abschied Griechenlands aus dem Euro, schien im Frühherbst mehr oder weniger ausgestanden. Auf Seiten der Euro-Partner zog vorsichtiger Optimismus ein, dass die Wende zum Guten zwar nicht vollzogen, aber doch eingeleitet sei. Nun kippt die Stimmung wieder: Die Griechen liegen bei der versprochenen Privatisierung weit hinter Plan. Das Misstrauen ist wieder da. War der bekundete Reformwille wieder nur Spiegelfechterei? Noch düsterer sieht es an der zweiten Großbaustelle aus, der Flüchtlingskrise. Sie stellt Europa vor ein Problem nicht gekannter Dimension. Die Hauptbetroffenen - Deutschland, Österreich, Schweden - versuchen seither verzweifelt, auch die Lösung zu "europäisieren". Doch die viel beschworene Solidarität bei einer fairen Lastenteilung, dem Schutz der Außengrenzen und der Bekämpfung der Fluchtursachen in Afrika und dem Nahen Osten blieb in dürftigen Ansätzen stecken. Statt dessen wurde die rabiate Abwehrhaltung des ungarischen Premiers Viktor Orban zum Modell. Andere Länder agieren ebenfalls nach der Devise "Rette sich, wer kann". Schengen-Grenzen sind wieder mit Stacheldraht bewehrt. Und 2016 folgt nun auch noch die Abstimmung über den "Brexit". Bis Februar will Premier Cameron den EU-Partnern so viele Reformzusagen abgehandelt haben, dass er seinen Landsleuten die Zustimmung zur weiteren Mitgliedschaft empfehlen kann. Es ist ein Hochrisiko-Manöver - Ausgang offen. Der jüngste Gipfel hat zwar deutlich gemacht, dass man die Briten in der Union halten will. Der Widerstand gegen Zugeständnisse aber ist groß. Alles in allem keine guten Aussichten für Europa.

Quelle presseportal  Foto by flickr/European Parliament

Es ist fünf vor zwölf - Das bisherige Europa steht auf dem Spiel

Leitartikel von Axel Zacharias zum EU-Gipfel von Brüssel

Weimar (ots) - Das Misstrauen gegenüber Deutschland war immer da, weil sich das wirtschaftlich potente Land zugegebenermaßen zuweilen rücksichtslos gebärdete und auf Befindlichkeiten kleinerer Partner wenig Rücksicht nahm. Das rächt sich nun. Denn viele kleinere Staaten verfügen jetzt mit der Nicht-Aufnahme von Asylsuchenden über ein Erpressungspotenzial gegenüber dem großen Nachbarn. Dabei spielt in Zeiten des Wiedererwachens nationalistischer Kräfte in den EU-Staaten die Überlegung, dass damit Europa beschädigt wird, eine untergeordnete Rolle. Nur sehr naive Geister glauben noch, dass die Flüchtlingsverteilung innerhalb der EU, so wie Kanzlerin Merkel sie favorisiert, funktionieren wird. Aber hoffen darf man ja ...

Die hehren Ziele, die bei der Gründung der Europäischen Union eine Rolle gespielt haben - Stichwort Wertegemeinschaft - sind vergessen. Es gibt sie noch, die EU, allerdings als Transfergemeinschaft von den reicheren Staaten des Nordens zu den armen Vettern im Süden. Offenbar haben viele der in den vergangenen Jahren neu aufgenommen Länder die Gemeinschaft auch nie anders verstanden. Und auch die Briten scheinen so zu denken. Die eingeforderten und seit Jahrzehnten gewährten Sonderkonditionen für die Insel sprechen ihre eigene Sprache. Anstatt mehr Europa, wie es in der Krise angebracht wäre, steht weniger Europa auf der Agenda der einzelnen Nationalstaaten.

Zögerlich beginnt jetzt der Aufbau einer gemeinsamen EU-Grenzsicherung, wie dies schon seit Jahren notwendig wäre. Die Angst vor einem Souveränitätsverlust droht auch hier zu Kompromissen zu führen, die sämtliche Beschlüsse verwässern werden. Europa, wie wir es jetzt kennen, steht auf dem Spiel!

 

Quelle presseportal  Foto by flickr/Min Lee

  • Publiziert in Politik
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