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Range wird gegangen

Leitartikel von Reinhard Zweigler zum Range-Rauswurf

Regensburg (ots) - Es lag wohl nicht an der brütenden Hitze, dass die Matadore der Affäre um die Veröffentlichungen des Internet-Blogs Netzpolitik.org gestern so hitzig zuschlugen. Erst bettelte der oberste deutsche Ermittler Harald Range mit einer unverschämten Unterstellung gegen seinen Dienstherren Bundesjustizminister Heiko Maas förmlich um seinen Rauswurf. Dann schickte der SPD-Mann Range nur wenige Stunden später in den Ruhestand und rief ihm gleich noch nach, er habe nicht die Wahrheit gesagt. Man könnte über diese Chaostage im Sommerloch rasch hinweggehen, wenn es sich bei den Akteuren nicht um den Bundesjustizminister und den nun Ex-Generalbundesanwalt handeln würde. Beide, Maas und Range, haben dem Ansehen der Justiz hierzulande Schaden zugefügt. Dabei ist der ungeschickte Range doch nur das Bauernopfer, selbst wenn er das mit seinen provokanten Äußerungen Richtung Berlin selbst bezweckt haben mag. An der Entstehungsgeschichte dieser aktuellen Internet-Affäre sind auch andere maßgeblich beteiligt. Allen voran der Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen. Der eifrige Mann aus der Ministerialbürokratie hatte die Inlands-Geheimdienst-Behörde auf dem Höhepunkt der NSU-Krise übernommen. Kompetenzwirrwarr und Schlampigkeit bei Verfassungsschutz (VS) und Bundeskriminalamt hatten dazu geführt, dass die bundesweiten Morde des rechtsextremen Trios aus Thüringen jahrelang nicht aufklärt werden konnten. Das Kölner Bundesamt war offenbar auf dem rechte Auge äußerst sehschwach. Maaßen versprach, das zu ändern. Und die Bundesregierung schob ihm mit einem Reformgesetz weitreichende Kompetenzen zu. Dieser Art von der Regierung zum Tätigsein in alle Richtungen ermuntert, planten die Verfassungsschützer nun, auch das Internet noch stärker ins Visier zu nehmen. Denn im weltweiten Netz tummeln sich viele Verfassungsfeinde ziemlich ungeniert. Allerdings bekamen Blogger von den neuen Überwachungsplänen des Kölner VS-Bundesamtes Wind. Sie veröffentlichten flugs, was ihnen aus dem Dienst selbst oder anderen Quellen "durchgestochen" worden war. So weit, so transparent. Mit ihren Veröffentlichungen, von denen die weite Öffentlichkeit allerdings kaum Notiz nahm, rührten die Blogger jedoch an dem Selbstverständnis des Verfassungsschutzes. Nicht die Tatsache allein, dass interne Papiere ins Netz gestellt wurden, sondern vor allem, dass es innerhalb des Dienstes selbst und/oder im zuständigen Innenministerium sowie im parlamentarischen Raum "undichte Stellen" geben müsse, brachten Maaßen und Co. auf die Palme. Sie witterten "Landesverrat". Einem Vergleich zur Spiegel-Affäre von Anfang der 60er Jahre hält die aktuelle Auseinandersetzung nicht stand. Damals im Kalten Krieg ging es um größere Beträge. Franz-Josef Strauß scheute seinerzeit nicht davor zurück, die Justiz gegen das unliebsame Nachrichtenmagazin von Rudolf Augstein einzusetzen, weil der interne Bundeswehrpapiere abdruckte. Auf Dauer geschadet hat diese Affäre weder Strauß und erst Recht nicht dem Spiegel, der zum "Sturmgeschütz der Demokratie" erhoben wurde. Ausgestanden ist die Blogger-Affäre mit dem Rauswurf von Range allerdings noch nicht. Doch den großen historischen Atem haben weder die Affäre noch die Akteure wie Heiko Maas, Ex-Generalbundesanwalt Harald Range oder VS-Präsident Maaßen und sein Dienstherr Thomas de Maizière. Dass die Meinungs- und Pressefreiheit auch im Internet zu gelten hat, ist jedoch ein Auftrag an die Politik sowie an die unabhängige Justiz. Und zugleich liegt dies in der Verantwortung der Millionen Nutzer selbst.

Quelle: presseportal.de / Mittelbayerische Zeitung - Foto: flickr / Markus Winkler

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