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Wie weit reicht die Macht von Erdoğan

Empfehlung Wie weit reicht die Macht von Erdoğan

Wird Deutschland nun vom türkischen Premier erpresst?

Es ist klar, dass Deutschland die Türkei braucht, wenn die Bundeskanzlerin in ihrer Flüchtlingspolitik Kurs halten will. Dass Angela Merkel dabei sicher nicht erfreut darüber war, dem türkischen Premier gegenüber treten zu müssen und seine Forderungen zumindest stärker berücksichtigen zu wollen, liegt sicher auf der Hand. Diese ambivalenten Haltungen gegenüber den Staatsmännern anderer Regierungen sind in der Tat nichts Neues, denn es gibt ständig solche Zielkonflikte, die Politiker aushalten und ertragen müssen. Schließlich geht es in einer modernen Welt auch darum Lösungen zu finden, auch wenn Geisteshaltungen, Moral und Weltsicht oftmals weit von unseren Vorstellungen differieren. Aber schließlich ist es auch so, dass letztlich keiner die Wahrheit und das Recht gepachtet hat und deshalb müssen wir zulassen, dass es auch eine andere Sicht der Dinge gibt, als das in den westlichen Ländern Usus ist. Schließlich könnte man ja auch einmal fragen, wohin uns denn unsere Moral und unsere westlichen Werte gebracht haben und wohin uns diese Trends und Entwicklungen in der Zukunft bringen?

Geballte Macht am Bosporus

Die andere Seite der Medaille scheint zu sein, dass die offene Art von Machthabern auf der Welt ausgenutzt werden könnte, oder sie bereits ausgenutzt wird. Im Fall Erdoğan gegen Jan Böhmermann nun erleben wir eine Eskalation dieser Machspiele, wie wir sie schon länger nicht mehr erlebt haben. Ein ausländischer Staatsmann fühlt sich beleidigt durch einen deutschen Satiriker. Wer hat recht? Welche Moralvorstellungen haben den stärkeren Anspruch auf Befriedigung? Pressefreiheit versus Machgehabe? Schutz eines deutschen Bürgers versus Staatsinteresse?

In diesem speziellen Fall liegt das Interesse der Aufmerksamkeit vor allem darin, dass das Abkommen der EU mit der Türkei gerade erst begonnen hat und es scheint, als wolle der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan nun seine Muskeln spielen lassen, denn er hat vermutlich in der Frage der Rücknahme der Asyslanten die Trumphkarte in den Händen. Aber kann es sich ein einzelner Staat oder eine ganze Staatengemeinschaft leisten, seine Rechte auf Freiheit und Schutz so einfach über Bord zu werfen? Diese Frage kann nur jeder für sich beantworten, aber zumindest ist es in diesem Fall wirklich gut, eine Kanzlerin zu haben, die sich über Jahre darin üben konnte, möglichst nirgends anzuecken. Denn das sind sehr gute Voraussetzungen, um auch aus dieser Komödie unbeschadet herauszukommen, auch wenn die Chancen dafür seit gestern enorm gesunken sind. Denn gestern legte der türkische Präsident noch einmal nach und nun liegt ein offizieller Strafantrag des türkischen Staatspräsidenten gegen Jan Böhmermann vor. Das bedeutet, dass es vermutlich sowieso zu einer Verhandlung kommen wird, egal ob die Bundesregierung nun Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Mainz gegen Böhmermann zulässt oder nicht. Aber unabhängig davon ob es gegen Böhmermann zur Anklage kommt oder nicht, bleibt die offene Frage, welche Signale die Bundesregierung und insbesondere die Kanzlerin damit in die Welt sendet? Lässt sie die Ermittlung der Staatsanwaltschaft zu oder leitet sie gar ein und stellt sich damit auf die Seite von Erdoğan, tritt sie damit die Pressefreiheit mit Füßen. Tut sie es nicht, riskiert sie einen Abbruch der Zusammenarbeit mit Erdoğans Türkei. Eine schwierige Entscheidung.

Foto by flickr/UNCDAT

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